Rechtslage

Hate Speech ist kein feststehender, juristisch definierter Begriff. Unser Rechtssystem stellt die Meinungsfreiheit unter den verfassungsrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und räumt diesem Recht damit höchsten Rang ein. Darunter fallen nicht nur Werturteile, sondern auch wahre Tatsachenbehauptungen, soweit sie zur Meinungsbildung dienen können. Unwahre Tatsachenbehauptungen sind vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG nicht erfasst. Aber das Recht zur freien Meinungsäußerung gilt nicht uneingeschränkt: Wird die Menschenwürde tangiert, das Persönlichkeitsrecht verletzt oder herabwürdigende Schmähkritik geäußert, können Betroffene dagegen rechtlich vorgehen. Das Recht zur freien Meinungsäußerung tritt außerdem zurück, wenn durch die Kritik Strafrechtsnormen erfüllt werden. Gleiches gilt, wenn Bestimmungen zum Schutze der Jugend verletzt werden.

Artikel 5 Grundgesetz: Meinungsfreiheit

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Straftatbestände

Strafbare Inhalte wie Verleumdungen, Beleidigungen und Volksverhetzung sind nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt — egal ob Äußerungen online oder offline getätigt werden. So kann Hate Speech z. B. folgende Tatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllen: § 111 Öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 130 Volksverhetzung, § 185 Beleidigung, § 186 üble Nachrede, § 187 Verleumdung. Beispiele:

Beleidigung nach § 185 StGB
„Ich wünsch dir viel Spaß beim Ficken mit deiner inzestigen Mutter, du Bastard."

Volksverhetzung nach § 130 StGB
Der Tatbestand der Volksverhetzung kommt zum Tragen, wenn jemand gegen eine Person oder Personengruppe aufgrund deren Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Religion in einer Weise zum Hass aufstachelt oder zur Gewalt aufruft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Beispiele für rassistische Posts, deren Verfasser wegen Volksverhetzung zu Geldstrafen verurteilt wurden:

    „Ich bin dafür, dass wir die Gaskammern wieder öffnen und die ganze Brut da reinstecken.“ – (4.800 € Geldstrafe – AG Tiergarten Berlin Az. 259 Cs 218/15)
    „I hätt nu a Gasflasche und a Handgranate rumliegen […].“ – (7.500 € Geldstrafe – AG Passau Az. 4 Ds 32 Js 12766/14)

Allerdings erfüllt nicht jeder rassistische Kommentar gleich den Tatbestand der Volksverhetzung. Damit die Gerichte einen Kommentar als volksverhetzend einstufen können, muss eine Öffentlichkeit gegeben sein. Es macht also einen Unterschied, ob eine Äußerung in privater Stammtischrunde getätigt wird oder in den Sozialen Medien. Über das Internet ist die Öffentlichkeit und damit die Prangerwirkung größer.

Rechtliche Handhabe

Was kann die Folge eines Hate-Speech-Kommentars sein?

  • Private Unterlassungsaufforderung
  • Außergerichtliche Abmahnung mit strafbewehrter Unterlassungserklärung, ggf. per Anwaltsschreiben
  • Zivilrechtliche Unterlassungsklage und/oder Verurteilung zu Schadensersatz, eventuell sogar Schmerzensgeld
  • Löschung des Kommentars auf der Plattform
  • Erstattung von gegnerischen Anwaltskosten
  • Übernahme von Gerichtskosten
  • Strafanzeige/strafrechtliche Verurteilung zur Geldstrafe oder Freiheitsstrafe
  • Kündigung des Arbeitsverhältnisses
  • Zeitweiser oder dauerhafter Schulverweis/Suspendierung

Wie kann ich die Verfasser*innen ermitteln?

Gehetzt wird im Internet oft unverhohlen mit Realnamen, Wohnort- oder Arbeitgeberadresse. Selbst die Anonymität durch Nicknamen schützt nicht vor Rechtsverfolgung. Fast immer hinterlassen die Verfasser*innen Spuren (IP-Adresse, Namensoffenlegung und Fotos in Sozialen Netzwerken), die eine Identifizierung nachträglich ermöglichen.

Welche Schritte kann ich als Betroffene*r unternehmen?

Richtet sich der Hasskommentar gegen einen selbst, sollten sich Betroffene im ersten Schritt an den Anbieter der Plattform wenden und diesen zur Löschung des Kommentars auffordern. Außerdem sollten sie rechtliche Möglichkeiten in Erwägung ziehen. Die Verfasser*innen können sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich belangt werden. Bei gravierenden Hate-Speech-Kommentaren bietet sich eine Strafanzeige an. Zuständig sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft. Neben der Möglichkeit direkt eine Polizeiwache aufzusuchen, gibt es die Möglichkeit Hasskommentare über die Onlinewache des jeweiligen Bundeslandes zu melden.

Wo kann ich Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen melden?

Jugendgefährdende Inhalte können den beiden Hotlines jugendschutz.net und der internet-beschwerdestelle.de sowie bei www.hass-im-netz.info/melden gemeldet werden.

Netzwerkdurchsetzungsgesetz
Um Anbieter Sozialer Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten, ist am 1. Oktober 2017 das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in Sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, kurz: NetzDG) in Kraft getreten. Plattformanbieter wie Twitter, Facebook und YouTube sind seitdem u.a. dazu verpflichtet, „offensichtlich strafbare Inhalte" innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu entfernen oder zu sperren. Kommen die Betreiber ihren Pflichten systematisch nicht nach, drohen ihnen hohe Bußgelder. Mehr Informationen zum NetzDG gibt es hier.

Hasskommentare dokumentieren

Wer Ziel von Hassrede geworden ist und das zur Anzeige bringen möchte, steht vor der Herausforderung die Beweise sichern zu müssen. Unsere Checkliste zeigt Schritt für Schritt, wie das geht.