Jugendmedienschutzindex 2018 veröffentlicht

Viele Lehrkräfte fühlen sich kaum in der Lage, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Online-Medien zu schützen.

Hausaufgabenheft, Brotdose, Smartphone – längst hat die Digitalisierung der Kinder und Jugendlichen auch den Schulhof erreicht. Aber welche Rolle spielt der Jugendmedienschutz an Deutschlands Schulen? Und wie gut sind Lehrkräfte und Fachpädagogen darauf vorbereitet, die von ihnen betreuten Heranwachsenden vor negativen Surf-Erlebnissen zu schützen?

Das Ergebnis einer explorativen Studie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM e.V.) sowie der unabhängigen Forschungseinrichtungen Hans-Bredow-Institut für Medienforschung und JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, ist besorgniserregend: Nur 50 Prozent der befragten Lehrkräfte und Fachpädagogen trauen sich zu, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Online-Risiken zu unterstützen oder zu beraten – auch die eigenen Fähigkeiten in der Welt der Online-Medien werden nur geringfügig besser eingeschätzt.

Dabei sind die Lehrkräfte in Deutschland alles andere als sorglos: Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, sich um problematische Online-Inhalte zu sorgen; jede dritte Lehrkraft glaubt an negative persönliche Folgen der Online-Nutzung. Als konkrete Risiken nennen sie Kontakte zu Fremden, verstörende Gewalt- oder Pornografie-Inhalte, Cybermobbing, Datenklau, Viren und vieles mehr. Immerhin 86 Prozent der Lehrkräfte und Fachpädagogen haben bereits Online-Mobbing bei ihren Schülerinnen und Schülern beobachtet, 84 Prozent sind davon überzeugt, dass Kinder und Jugendliche zu viele Daten im Internet preisgeben, und 80 Prozent nehmen an, dass Schülerinnen und Schüler mit für sie verstörenden oder beängstigenden Inhalten wie Gewalt, Sex oder Horror in Kontakt kommen.

Trotz dieser ausgeprägten Sorgen sieht sich rund die Hälfte der Lehrkräfte selbst nur bedingt in der Lage, die Kinder und Jugendlichen, mit denen sie arbeiten, vor Online-Risiken zu schützen; dies spricht für erheblichen Bedarf an individueller Fortbildung. Die Verantwortung, beim Jugendmedienschutz aktiv zu werden, sehen die Befragten vor allem bei den Eltern und den Anbietern von Online-Content, sozialen Plattformen, Messaging-Diensten und Behörden; mit 76 Prozent wird den Schulen zwar etwas geringere Verantwortung zugeschrieben, dafür aber wird diesen bescheinigt, dass sie dieser Verantwortung weitgehend gerecht werden. Demgegenüber meinen nur 19 Prozent, dass sich Eltern genug um den Schutz ihrer Kinder im Online-Bereich kümmern. Hier wollen fast zwei Drittel (63 Prozent) der befragten Lehrkräfte und Fachpädagogen zukünftig eine stärker wahrnehmbare Rolle einnehmen und Eltern auf Chancen und Risiken der Online-Nutzung hinweisen. Großen Unterstützungs- und Aufklärungsbedarf sehen sie vor allem im Bereich Privatsphäre, Datenschutz und Umgang mit Messengern (96 Prozent).

“Eine Ursache für das mutmaßlich mangelnde Engagement liegt nach Auswertung der Studie unter anderem in den medienpädagogischen Rahmenkonzepten an den Schulen – die fehlen nämlich an mehr als jeder zweiten Einrichtung, so die Aussage der Befragten”, erklärt Martin Drechsler, Geschäftsführer der FSM. “Neben den notwendigen Rahmenkonzepten muss im Bereich Fortbildung mehr getan werden.” so Drechsler weiter. Denn die Studie ergab: Die Fortbildungsmöglichkeiten an Schulen seien nach Angaben der Lehrkräfte fast immer freiwillig. Nur drei Prozent konnten an verpflichtenden Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen. Und nur jeder Fünfte weiß von regelmäßig angebotenen Fortbildungen.

Auch im akuten Ernstfall fehlen oft die richtigen Informationen, und Lehrkräfte greifen oft zur falschen Telefonnummer oder schicken Eltern zur falschen Adresse: 63 Prozent kennen keine konkrete Beschwerde- oder Beratungsstelle. Dazu Martin Drechsler: “Jugendmedienschutz ist hochaktuell und eilige Hilfe oft geboten, dennoch haben die Kontaktmöglichkeiten keinen Bekanntheitsgrad wie die Notrufnummern 110 oder 112.” So kommt es, dass Kinder und Jugendliche auf Anraten von Lehrkräften auch mal beim Verbraucherschutz oder beim Datenschutzbeauftragten landen.

Bei der Frage nach möglichen Schutzmechanismen halten Lehrkräfte und Fachpädagogen technische Einschränkungen für sinnvoll und wenig hinderlich in der Ausübung des Unterrichts oder der Nutzung der Online-Angebote. 77 Prozent halten Sicherungen und Schutzmechanismen auf Geräten wie Smartphone oder Tablet für richtig. Eine große Mehrheit der Befragten (83 Prozent) ordnet den Schutz von Kindern und Jugendlichen höher ein, als den freien Zugang zu allen Online-Angeboten.

Die FSM ist Herausgeber der Studie, die von den unabhängigen Forschungseinrichtungen Hans-Bredow-Institut für Medienforschung und JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis durchgeführt wurde. Der Direktor des Hans-Bredow-Instituts, Prof. Dr. Uwe Hasebrink, spricht sich für die Weiterentwicklung des Jugendmedienschutzsystems aus: "Der Jugendmedienschutzindex zeigt, dass Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen und auch die Heranwachsenden selbst Jugendmedienschutz für eine dringliche Aufgabe halten und dass daran alle Akteure mitwirken müssen. Bisher aber wissen die Beteiligten viel zu wenig voneinander: Wir brauchen Transparenz darüber, wer was im Jugendmedienschutz tut."

Dr. Niels Brüggen, Leiter der Forschungsabteilung JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis: "Erstmals wird mit dieser Auflage des Jugendmedienschutzindex der Beitrag von Schulen und außerschulischen Bildungsangeboten zur Begleitung von Kindern, Jugendlichen und Eltern bezüglich des Umgangs mit Online-Medien und Online-Risiken in den Fokus genommen. Eine medienpädagogische Vorbildung erweist sich hierbei als eine zentrale, wenngleich aber bislang noch nicht flächendeckend gegebene Voraussetzung für eine gute Unterstützung von Familien."

Weitere Informationen zum Jugendmedienschutzindex entnehmen Sie bitte der Studie bzw. der Zusammenfassung oder online unter www.fsm.de/jugendmedienschutzindex.

(Quelle: Pressemitteilung FSM | 06.11.2018)