Kinderbilder im Netz: problematische Aspekte des "Sharenting"

In einigen Bundesländern haben die Sommerferien bereits begonnen und läuten für viele Familien die Urlaubszeit ein. Gerne hält man die schönen Erlebnisse der Kinder an Strand oder im Pool per Foto und Video fest. Und genauso gerne lässt man auch Verwandte und Bekannte daran teilhaben. Aber hier ist Vorsicht geboten, denn auch Kinder haben ein Recht am eigenen Bild und einmal veröffentlichte Bilder kann man unter Umständen nie wieder aus dem Internet entfernen. klicksafe gibt Tipps, was Eltern beachten müssen und wie sie ihre Kinder angemessen schützen können.

Für das Phänomen der Eltern, die Bilder ihre Kinder zugänglich machen, gibt es mittlerweile ein eigenes Wort: Sharenting. Es setzt sich zusammen aus dem englischen Wort "Parenting" (grob übersetzt "Elternschaft") und dem Verb "to share" (zu deutsch: etw. teilen). Dabei haben die Eltern gar nichts Böses im Sinn, wenn sie Aufnahmen ihrer Kinder mit anderen teilen. Im Gegenteil ist es gut nachvollziehbar, dass man andere Menschen an den schönen, lustigen oder grotesken Momenten des Familienlebens teilhaben lassen möchte. Nur wird dabei oft die Perspektive des Kindes außer Acht gelassen.

Was denken Kinder über ihre Bilder im Netz?
Was für Erwachsene lustig ist, kann für Kinder peinlich und beschämend sein. Und wenn noch nicht unmittelbar, dann doch unter Umständen Jahre später. Denn je nachdem, wo die Aufnahmen veröffentlicht wurden, sind sie auch Jahre oder gar Jahrzehnte später noch zugänglich. In der EU Kids Online-Befragung 2019 berichten neun Prozent der befragten Kinder, dass ihre Eltern ohne ihr Einverständnis Texte, Bilder oder Videos von ihnen ins Netz gestellt haben. Jeweils sechs Prozent waren verärgert über die veröffentlichen Informationen bzw. haben ihre Eltern darum gebeten, diese wieder zu löschen.
Auch das Deutsche Kinderhilfswerk untersuchte das Phänomen "Sharenting" in einer Studie und kam zu dem Ergebnis, dass Kinder ein sehr klares Gefühl dafür haben, unter welchen Umständen sie mit einer Veröffentlichung von Bildern oder Videos einverstanden sind und wann dies nicht der Fall ist. Dabei können sich die Kriterien von Eltern und Kindern für die Bewertung eines Bildes stark unterscheiden, sodass Kinder Aufnahmen problematisch finden, die Erwachsene für harmlos halten. Die Studie kommt zu dem Schluss, "[...] dass in der Regel die Kinder deutlich weniger Bilder preisgeben würden als ihre Eltern."

Was können Eltern tun, um ihre Kinder zu schützen?
klicksafe bietet mit "Zu nackt fürs Internet? - 10 Schritte für mehr Sicherheit im Umgang mit Kinderfotos online" eine Infokarte an, mit der Eltern ganz leicht überprüfen können, ob sie alle wichtigen Aspekte berücksichtigt haben, bevor sie ein Bild veröffentlichen. Die Infokarte regt zum einen dazu an, die Kinder aktiv in den Entscheidungsprozess miteinzubeziehen, soll aber auch ermöglichen sich in die Perspektive der abgebildeten Kinder hineinzuversetzen.
Abgesehen vom Recht am eigenen Bild und dem generellen Selbstbestimmungsrecht der Kinder, die berücksichtig werden müssen, gibt es noch einige abstraktere Gefahren, die gerade für jüngere Kinder nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind und daher von den Eltern bedacht werden müssen. Daher ist auch eine Einwilligung des Kindes nicht automatisch so zu werten, dass eine Veröffentlichung angebracht ist.

Weitere mögliche problematische Folgen von öffentlich zugänglichen Kinderbildern

  • Im Kontext des Cyber-Mobbing können im Internet veröffentlichte Fotos von Täterinnen und Tätern genutzt werden, um großen Schaden anzurichten. Kinder und Jugendliche möchten verständlicherweise nicht mit peinlichen Aufnahmen von sich konfrontiert werden, aber auch vermeintlich harmlose Bilder können zum Beispiel durch Nachbearbeitung so genutzt werden, dass sie jemanden bloßstellen.
  • Leider ist es ein verbreitetes Phänomen, dass eigentlich harmlose Kinderbilder zum Beispiel von Säuglingen in Windel, Kindern im Schlafanzug oder Jugendlichen in Badebekleidung in sexualisierten Kontexten missbraucht werden. Täterinnen und Täter mit sexuellem Interesse an Kindern suchen gezielt solche Aufnahmen im Internet, um sie Gleichgesinnten zugänglich zu machen. Dadurch entsteht zwar keine direkte physische Gefahr für die Kinder, dennoch möchten wohl weder die Eltern noch die Kinder, dass ihre Bilder in diesem Zusammenhang missbraucht werden.
  • Damit Kinder vor sexueller Gewalt und Grenzverletzungen geschützt sind, müssen sie zunächst ihre Grenzen und Rechte kennen. Gerade von ihren Vertrauenspersonen sollte ihnen daher unbedingt vermittelt werden, dass sie ein Mitspracherecht haben wenn es um ihre Privatsphäre geht und dass auch Erwachsene sich nicht über die von ihnen gesetzten Grenzen hinwegsetzen dürfen. Kinder, die auf diese Weise sensibilisiert sind, haben in Gefahrensituationen eine bessere Chance Grenzverletzungen zu bemerken, auf sie aufmerksam zu machen und sich Hilfe zu holen.
  • Eine noch recht abstrakte Gefahr, von der man nicht sicher sagen kann, ob sie in Zukunft von Relevanz sein wird, ist die der automatischen Gesichtserkennung. Diese Technologie ist zwar schon heute einsatzfähig, aber noch nicht im großen Stile für Privatpersonen nutzbar. Momentan ist nicht seriös abschätzbar, ob das weiterhin so bleiben wird und welche rechtlichen Vorgaben zukünftig für sie gelten werden. Dass in diesem Zusammenhang auch Bilder von Kleinkindern relevant sind, zeigte unlängst ein Fall aus China, in dem ein mit zwei Jahren entführtes Kind 30 Jahre später als erwachsener Mann mit Hilfe von Gesichtserkennungssoftware wiedergefunden wurde.

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