TikTok Lite & Co.Warum Belohnungen exzessive Mediennutzung fördern

Verstößt die in der neuen App TikTok Lite enthaltene Belohnungsfunktion gegen EU-Regeln? Dies lässt die EU-Kommission in einem aktuellen Verfahren gegen TikTok wegen der „Gefahr schwerer Schäden für die psychische Gesundheit der Nutzenden“ prüfen. Wie beeinflussen Belohnungssysteme in Social Media oder Gaming-Apps die Mediennutzung? Wir informieren über gängige Mechanismen und die damit verbundenen Risiken.

Im Rahmen des Digitale-Dienste-Gesetz hat die EU-Kommission erneut ein förmliches Verfahren gegen die Videoplattform TikTok eingeleitet. Ende Februar 2024 gab es bereits ein Verfahren, bei dem es unter anderem auch um „süchtig machendes Design“ ging. Aktuell soll die neue App TikTok Lite geprüft werden, welche diesen Monat in Europa eingeführt wurde. Die App ist bislang in Frankreich und Spanien verfügbar. Problematisch daran sei das Punktesystem: Nutzer*innen, die lange im Dienst verweilen z.B. Videos schauen, Inhalte liken oder Freunde dazu einladen, werden mit digitalen Münzen belohnt. Diese Punkte können dann gegen Gutscheine z.B. bei Online-Shops wie Amazon eingetauscht werden.

Update 25.4.2024: TikTok setzt das Bonusprogamm in TikTok Lite bis zur Klärung vorerst aus.

Wie beeinflussen soziale Belohnungen die Mediennutzung?

Positive Bestätigung, Erfolge und Vorteile durch Belohnungen sorgen für Glücksgefühle – auch in Social Media oder digitalen Spielen. Darum führen ausgeklügelte Belohnungsmechanismen in Social-Media-Apps oder Games dazu, dass wir möglichst viel Zeit in der Anwendung verbringen oder zu verschiedenen Tageszeiten immer wieder die Dienste nutzen. Diese Mechanismen beeinflussen das Belohnungszentrum im Gehirn.

Belohnungssysteme erhöhen das Risiko einer exzessiven Nutzung und können besonders jüngere Nutzer*innen unter sozialen Druck setzen. 

Welche Mechanismen kommen dabei zum Einsatz?

Wir stellen hier beispielhaft Belohnungsmechanismen in bei Kindern bei beliebten Apps vor.

Snapchat: Freunde-Belohnungssystem 

Snapchat belohnt mit verschiedenen Freundschafts-Emojis den regelmäßigen Snap-Austausch zwischen den Nutzer*innen: Schicken sich Snapchat-Freund*innen über längere Zeiträume viele Snaps, werden sie mit bestimmten Emojis versehen, die den Status ihrer Freundschaft dokumentieren sollen. Besonders begehrt ist das Flammensymbol. Es bedeutet, dass sich zwei Nutzer*innen an mindestens drei aufeinanderfolgenden Tagen Snaps geschickt haben. Die Zahl neben der Flamme dokumentiert den Snapstreak, also  die Anzahl der aufeinanderfolgenden Tage mit regem Kontakt.

Wenn der Freundschaftsstatus andhand der Nutzungsaktivität bewertet wird, kann dies bei manchen Kindern und Jugendlichen sozialen Druck aufbauen. Beispielsweise schreibt Snapchat in seinem Leitfaden für Freundschafts-Emojis u.a.: „Das ist einer deiner Besten Freunde! Du schickst diesem Snapchatter eine Menge Snaps, aber er ist nicht dein Bester Freund.“

BeReal: Belohnung für tägliches Posten

Auch die App BeReal belohnt den regelmäßigen Austausch zwischen den Nutzer*innen. Posten die Nutzer*innen pünktlich, so erhalten sie zwei zusätzliche „Bonus BeReal“ pro Tag. Posten die Nutzer*innen zu spät, so wird diese Funktion für den Tag gesperrt und sie müssen es am nächsten Tag wieder probieren. Wenn man gar kein Bild postet, werden die Bilder der anderen Nutzer*innen nicht angezeigt.

Sehr aktive Nutzer*innen starten nach fünf aufeinanderfolgenden geposteten BeReals ihren Streak, einem Flammensymbol. Der Streak-Punktestand erhöht sich jedes Mal, wenn ein BeReal gepostet wird und ist für die Nutzer*innen im Profil sichtbar. Wird an einem Tag zu spät gepostet, verfällt dieser Streak und man muss von vorne beginnen.

Clash of Clans: Belohnungspfade

Online-Strategiespiele, wie Clash Royale oder Clash of Clans laufen in Echtzeit. Das Spielgeschehen entwickelt sich also weiter, wenn man offline ist. Der aktuelle Spielverlauf wird den Spieler*innen mittels Push-Nachrichten auf ihrem Smartphone angezeigt. So werden sie auch außerhalb ihrer Spielzeit stets über das Spielgeschehen informiert. Bei diesen Spielen holen sich Nutzer*innen beispielsweise zwischendurch Belohnungen ab, indem sie mehrmals täglich die App nutzen und darin Aufgaben erledigen. Möchte man bei einem Echtzeit-Strategiespiel wie Clash of Clans oder Clash Royale erfolgreich mitspielen, sollte man so oft wie möglich online sein.
Der Anbieter Supercell schreibt: „Je mehr du spielst, desto mehr Belohnungen kannst du dir mithilfe von Saison-Herausforderungen sichern. Alle Spieler können auf dem Silbernen Belohnungspfad Gegenstände freischalten und sammeln. Wenn du den Goldpass erwirbst, kannst du dir exklusiv mit dem Goldpass freischaltbare Belohnungen holen.“

Tipps für Erziehungsberechtigte

Wenn Ihre Kinder Social-Media-Apps oder Gaming-Apps nutzen:

  1. Informieren Sie sich über das Mindestalter, die Nutzungsrichtlinien und Sicherheitseinstellungen des jeweiligen Dienstes.
  2. Die Schutzmechanismen der Dienste greifen nur bei korrekter Altersangabe. Richten Sie daher das Nutzungskonto gemeinsam ein.
  3. Klären Sie über manipulative Belohnungsmechanismen in Online-Diensten auf. Finden Sie dann gemeinsam verbindliche Regeln für Nutzungszeiten und Beschränkungen der App-Nutzung. Deaktivieren Sie beispielsweise App-Benachrichtigungen. Hilfestellung bei der Festlegung von Nutzungszeiten und Regeln kann beispielsweise unser Online-Tool Mediennutzungsvertrag geben.
  4. Begleiten Sie aktiv die Online-Aktivitäten Ihres Kindes.Passende Gesprächseinstiege finden sich hier.
  5. Sie sorgen sich um das Mediennutzungsverhalten Ihres Kindes? Hier finden Sie Hilfe- und Beratungsstellen.

Selbsttest: Wie viel Social Media ist gesund?

Mithilfe von Tipps und Kontrollfragen können sich Jugendliche selbst kritisch einschätzen und Lösungsansätze für ihre Social-Media-Nutzung finden.

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