Selbstgefährdung im Netz - problematische Challenges und Mutproben

Kinder und Jugendliche werden im Netz immer häufiger zu gefährlichen Mutproben animiert. Viele der Wettbewerbe gelten als hip und unterhaltsam und reichen von harmlosen Herausforderungen, für die man Ausdauer, Konzentration oder Geschicklichkeit benötigt bis zu riskanten Challenges, die schwere gesundheitliche Schäden zur Folge haben können.

Die meisten Menschen sind mit dem Internet-Phänomen der Challenges vermutlich seit 2014 vertraut. In diesem Jahr verbreitete sich die "ALS Ice Bucket Challenge" (dt. „Eiskübelherausforderung“) rasant rund um die Welt. Die Herausforderung bestand darin, sich einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf zu gießen und anschließend drei Personen zu nominieren, sich innerhalb von 24 Stunden ebenfalls dieser Herausforderung zu stellen. Die Durchführung und Nominierung wurden gefilmt und auf YouTube hochgeladen oder per WhatsApp oder Facebook an Freunde und Freundinnen verschickt. Zehntausende, darunter Mark Zuckerberg und Bill Gates, machten mit. Wer die Herausforderung nicht annahm, sollte 100 Euro/US-Dollar an die ALS Association zur Erforschung der Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) spenden.

Harmloser Spaß oder problematische Selbstgefährdung?

Seit der Ice Bucket Challenge gab es eine Vielzahl an weiteren Challenges, die sich weltweit verbreitet haben. Oft handelt es sich um harmlose Fitnessübungen (zum Beispiel eine vorgegebene Zeit lang im Unterarmstütz verharren; die "Plank Challenge"), oder um Geschicklichkeitsaufgaben (zum Beispiel den Schraubverschluss einer Flasche mit einem gezielten Tritt öffnen; die "Bottle Cap Challenge").

Immer wieder gibt es allerdings auch Mutproben, die zu einem riskanten Verhalten animieren. Dazu gehörte unlängst die sogenannte "Bird Box Challenge". In Anlehnung an den Horrorfilm BIRD BOX aus dem Jahr 2018, bestand die Challenge darin, sich mit verbundenen Augen durch seine Umgebung zu bewegen. Große Bekanntheit erlangte auch die "Tide Pod Challenge", die darin bestand auf giftige Waschmittel-Pods zu beißen.

Internet-Challenges - eine moderne Form von Mutproben

Mutproben gehören zum entwicklungsbedingten Risikoverhalten vieler Jugendlicher – das war schon zu Offline-Zeiten so. Es geht den jugendlichen Teilnehmern und Teilnehmerinnen vor allem darum, sich selbst durch die Überwindung subjektiv erlebter unangenehmer Gefühle etwas zu beweisen, sich von den Eltern abzugrenzen und die Anerkennung innerhalb der Peer-Group zu bekommen. Wichtig ist, offen mit Jugendlichen über die Risiken solcher Challenges zu sprechen und sie anzuregen, die Aktionen kritisch zu hinterfragen.

Selbstgefährdung als Trend?

Der Jahresbericht von jugendschutz.net verzeichnet für das Jahr 2019 im Bereich Selbstgefährdung einen Anstieg von Inhalten um 77 Prozent. Auch wenn Kinder und Jugendliche nicht aktiv an gefährlichen Challenges teilnehmen, so können doch Bilder von Verbrennungen, Narben oder blutenden Wunden Hemmschwellen herabsetzen und schädigendes Verhalten stimulieren. Auch im Bereich der Essstörungen oder bei Berührungspunkten mit dem Thema Suizid ist besondere Vorsicht geboten: Kinder und Jugendliche in Krisensituationen können durch solche Inhalte weiter destabilisiert werden.

Was tun bei gefährlichen Challenges?

Eltern, Personen mit Erziehungsauftrag sowie Pädagogen und Pädagoginnen können Kinder und Jugendliche dabei Unterstützen, die Gefahren von Challenges richtig zu bewerten:

  • Bleiben Sie im Austausch mit Kindern und Jugendlichen, um zu erfahren, welche Mutproben aktuell angesagt sind.
  • Unterstützen Sie Kinder und Jugendliche dabei Risiken zu erkennen und richtig einzuschätzen.
  • Bestärken Sie Kinder und Jugendliche darin, "Nein" zu sagen und Gruppendruck nicht nachzugeben.
  • Vermitteln Sie, dass auch das Weiterverbreiten von gefährlichen Challenges problematisch ist, da es andere gefährdet.
  • Verurteilen Sie Challenges nicht pauschal und helfen Sie interessierten Kindern und Jugendlichen dabei, sichere Challenges zu finden.

Riskante Internet-Challenges können bei internet-beschwerdestelle.de oder jugendschutz.net gemeldet werden und sollten nicht im Freundeskreis oder öffentlich geteilt bzw. weiterverbreitet werden. Auch Warnungen vor problematischen Wettbewerben und riskanten Aufforderungsspielen sollten nicht gepostet oder geliked werden, da dies die Verbreitung des Phänomens fördert.

Hilfesuchende können sich an folgende Beratungsstellen wenden: 

  • Nummer gegen Kummer e. V. bietet anonyme und kostenfreie telefonische Beratung für Kinder, Jugendliche und Eltern an. Kinder und Jugendliche können sich außerdem rund um die Uhr an die em@il-Beratung der „Nummer gegen Kummer“ wenden.
    Kinder- und Jugendtelefon Tel.: 116 111, Mo. bis Sa. von 14 – 20 Uhr sowie Mo., Mi. und Do. von 10 - 12 Uhr
    Elterntelefon Tel.: 0800 – 111 0 550, Mo. bis Fr. von 9 – 17 Uhr sowie Di. und Do. von 17 – 19 Uhr
  • jugend.support ist ein Rat- und Hilfeangebot für Kinder ab 12 Jahren und Jugendliche. Auf der Webseite gibt es einen speziellen Themenbereich Challenges & Mutproben in dem man Tipps und Hilfsangebote finden kann.
  • JUUUPORT ist eine bundesweite Beratungsplattform, auf der sich Jugendliche gegenseitig helfen, wenn sie Probleme im oder mit dem Internet haben. Ob Cybermobbing, Abzocke, Datensicherheit oder Technik – zu allen Web-Themen können Jugendliche auf www.juuuport.de Fragen stellen.

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