Die digitale Entwicklung hat den Raum erweitert, in dem Menschen Konflikte austragen. Cybermobbing, Shitstorms und Hate Speech sind verschiedene Formen von Gewalt, die über Online-Medien ausgeübt werden. Gemeinsam ist jeder Form von Online-Gewalt aber, dass sie die Integrität eines Menschen und sein soziales Ansehen beschädigt. Sie widerspricht damit dem Würdeprinzip unserer Gesellschaft. Medial ausgetragene Konflikte und Gewalthandlungen betreffen also im Kern die ethische Frage nach unserer Werte- und Lebensorientierung: Wie wollen wir miteinander leben?
Baustein 2 des Lehrmaterials beschäftigt sich ausführlich mit verletzendem Online-Verhalten.
Online-Gewalt ist reale Gewalt
Online-Gewalt schadet einer Person nicht physisch, sondern bedient sich verletzender Worte, Bilder oder Videos: Sie ist eine symbolische Gewalt. Solche Attacken zielen auf das soziale Ansehen oder den Ruf eines Menschen – und damit auf seine Anerkennung als Subjekt in der Gesellschaft.
Attacken und Beleidigungen bergen grundsätzlich die Gefahr der Eskalation, denn durch die ihr innewohnende Provokation fordern sie eine Reaktion: Sie wollen von der beleidigten Person geradezu erwidert werden. So kann eine eskalative Dynamik in Gang kommen.
Der öffentliche Charakter dieser Gewaltformen begünstigt das Entstehen eskalativer Potenziale. So erweitern beispielsweise Soziale Netzwerke den Kreis möglicher kommunikativer Anschlüsse stark: Diese können eskalierend wirken, wenn sie in die Konflikte hineingezogen werden.
Bystander – Die Rolle von Helfenden
Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, verletzendes Online-Verhalten mehr oder weniger zu unterstützen. Indem man zum Beispiel intime Videos weiterleitet, ein peinliches Bild teilt oder einen gemeinen Post auf Facebook liked. Gewaltakte sind oft gruppendynamische Prozesse, bei denen die Bystander (Zuschauer*in) eine wichtige Rolle einnehmen. Der so genannte Bystander-Effekt kann dabei helfendes Verhalten in einer Konfliktsituation negativ beeinflussen oder sogar unterbinden. Eine Erklärung hierfür ist, dass Menschen Hilfeleistungen eher unterlassen, wenn weitere Personen zugegen sind. Mit zunehmender Anzahl von Zeug*innen nimmt das Gefühl der Eigenverantwortung ab und das der Verantwortungsverteilung zu.
Ebenso problematisch ist die Sichtweise, dass das Opfer die Situation selbst verschuldet hat. Hier wird letztlich ignoriert, dass Menschen grundsätzlich aufeinander angewiesen sind, und unterstellt, jeder sei seines Glückes – oder Pechs – eigener Schmied.
Im Sinne einer Verantwortungsethik ist man als autonomes Subjekt nicht nur für seine Handlungen verantwortlich, sondern auch für deren Unterlassung. Unterlassung ist so verstanden ein spezieller Fall unmoralischen Handelns: Anstatt moralisch richtig zu handeln, bleibt die betreffende Person untätig, und eben dadurch verhält sie sich falsch.
Mut gehört auch dazu
Verantwortliches Handeln bedarf letztlich auch der Konfliktfähigkeit und des Muts. Das heißt im Fall von Online-Gewalt:
- dem Opfer zu helfen, auch wenn es einfacher wäre wegzusehen.
- bereit zu sein, bis zu einer gewissen Grenze auch Nachteile in Kauf zu nehmen.
- sich gegen die Beleidigung und Verletzung auszusprechen, auch wenn die anderen das witzig oder okay finden.
- sich auf das eigene moralische Empfinden beziehen.
- sich Hilfe bei anderen zu holen, wann immer diese nötig ist.
Zum Mut muss aber auch die Klugheit bei der Beurteilung einer Situation kommen. Dabei ist vor allem die Perspektive des Opfers und dessen Verletzungsgrad zu beurteilen.
Wie können wir helfen?
Wer sich gegen eine Online-Verletzung engagiert, sollte sich auch selbst Unterstützung holen: Ansonsten besteht die Gefahr selbst Zielscheibe der Angriffe zu werden – und dabei von den Gegenspielern in einer Community isoliert zu werden. Unterstützer können dabei Freund*innen sein, die sich solidarisieren. Es können aber auch Lehrer*innen sein, die als Vertrauenspersonen helfen. In Chatforen kann man sich auch von den Moderator*innen Unterstützung holen, indem man diese zum Eingreifen auffordert.