Interview mit pro familia MünchenPornografie als Thema in der sexualpädagogischen Arbeit

Zum Safer Internet Day stellt klicksafe das Thema „Let's talk about Porno“ in den Mittelpunkt. Denn Kinder und Jugendliche kommen im Internet bereits frühzeitig mit pornografischen Inhalten in Kontakt und benötigen dementsprechend gute, sexualpädagogische Aufklärungsangebote. Aber wie findet man den richtigen Ton, um mit Kindern und Jugendlichen über das Thema Pornografie zu sprechen? Daniela Huber von pro familia München gibt uns im Interview Einblick in die sexualpädagogische Praxis.

Ist Pornografie ein Thema in Ihrer sexualpädagogischen Arbeit?

Ja, es ist nicht zu übersehen, dass Jugendliche, aber auch Kinder damit immer mehr konfrontiert sind. Und nicht alle Jugendlichen tun sich leicht, diese Bilder und Videos einzuordnen. Viele Jugendliche haben bereits Pornos vor ihrem ersten Kuss gesehen. Und auch Kinder kommen heute ungewollt in Kontakt mit solchen Inhalten. Das kann sowohl bei einer Internetrecherche passieren oder über Inhalte im Klassenchat. Auf dem Schulweg, Kindergeburtstag, auf dem Pausenhof. Die Gelegenheit ergibt sich einfach.

Was vermitteln Sie in Ihren Workshops zum Thema Porno? Was ist ihnen hierbei wichtig?

Vor allem die Gesetzeslage! Pornos sind nicht für Jugendliche gedacht. Das ist für viele Jugendliche erst einmal verwirrend, weil man ja ab 14 Jahren vom Gesetz her schon Sex haben dürfte. Viele Pornos zeigen aber ein falsches Bild von Sexualität! Es sind oft ausgefallene und heftige Formen von Sexualpraktiken zu sehen, die auf Jugendliche verstörend wirken können. Vielleicht werden sogar Standards vermittelt, die Jugendliche unter Druck setzen. Dabei geht es uns nicht darum, Jugendlichen ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie Pornos konsumieren. Es ist ja auch nicht verboten, wenn Jugendliche selbst auf die Suche danach gehen. Aber wir wollen auch die Jugendlichen unterstützen, die keine Pornos schauen. Man muss das nicht tun, um cool zu sein! Und auch nicht alle Erwachsenen schauen Pornos!

Sie arbeiten aber nicht nur mit Jugendlichen, sondern auch mit Kindern?

Ja, aber natürlich sind die Themen altersangemessen. In der Grundschule hat Sexualerziehung ganz viel mit Sozialerziehung zu tun. Fair sein, Selbstbewusstsein stärken, Nein sagen, die eigenen Grenzen und die von anderen respektieren… Und natürlich die körperlichen Veränderungen in der Pubertät!

Spiele wie „Wahrheit oder Pflicht“ oder irgendwelche Social-Media-Challenges sind oft der Auslöser für sexuelle Grenzverletzungen. Da wollen wir die Kinder stark machen, sich abzugrenzen und zu wehren, wenn etwas von ihnen erwartet wird, was sie nicht möchten.

Welche Rolle spielen Pornos in der Grundschule?

Wir bringen das Thema nicht von uns aus ein. Aber wir beantworten Fragen, wenn sie gestellt werden. Und auch Kinder bekommen heute schon eindeutige Bilder mit. Viele haben Smartphones … da werden Musikvideos geguckt, aber vielleicht auch schon pornografische Bilder und Videos gesehen. Gezielt oder ganz zufällig. Uns ist es wichtig, dass Kinder mit ihren Fragen nicht allein gelassen werden.

Was würden Sie Kindern antworten, wenn sie Fragen zum Thema Pornografie haben?

Wenn wir vor einer Klasse stehen und eine Frage dazu kommt, ist das immer auch eine Gratwanderung … Es gibt Kinder mit vielleicht älteren Geschwistern, die schon etwas gesehen oder gehört haben und andere noch gar nicht. Deshalb ist unsere Antwort möglichst sachlich, ohne ins Detail zu gehen. Eine Antwort auf „Was ist ein Porno?“ könnte sein: „Im Internet gibt es Filme, in denen nackte Menschen gezeigt werden, die Sex machen. Die Filme sind für Erwachsene und nicht für Kinder! Viele finden solche Filme eklig, sie können vielleicht auch Angst machen. Vor allem Kindern, aber auch Jugendlichen und Erwachsenen …“. Und dann erst mal abwarten, ob noch Nachfragen kommen.

Kinder fragen oft: „Tut Sex weh, weil die Frauen so schreien?“ Sie sind dann ganz erleichtert, wenn sie erfahren: Stöhnen kann man auch, wenn etwas angenehm ist. Aber in manchen Filmen wird das Stöhnen übertrieben gezeigt. Außerdem stellen Kinder viel direktere Fragen zum Thema Sexualität. Darauf sollten Erwachsene vorbereitet sein. Ein guter Überblick über Kinderfragen bietet das Buch „Klär mich auf!“.

Wie reagieren die Kinder darauf?

Wir versuchen, nicht zu lange an diesem Thema hängen zu bleiben. Wenn wir die Frage beantworten, kommt von einigen Kindern ein Kichern und von vielen ein „Iiiihhh“…   Und dieses „Iiiihhh“ dürfen Kinder haben, auch bei anderen Themen! Kinder sind neugierig, interessieren sich für Körpervorgänge, sind vielleicht auch schon verliebt … aber es gibt einen ganz klaren Unterschied zur Erwachsenen-Sexualität. Deutlich wird das, wenn wir Kinder fragen: „Was gibt es denn noch, was Erwachsene toll finden und Kinder gar nicht? Blauschimmelkäse essen… Iiiihh!  Kaffee trinken… Iiiiiihhh! - Und andersherum? „Kinder freuen sich auf ihren Geburtstag und Erwachsene nicht so!“

Unterrichtsmaterial „Let's talk about Porno“

Das vollständig überarbeitete klicksafe-Handbuch „Let's talk about Porno. Sexualität, Identität und Pornografie“ wurde in Zusammenarbeit mit pro familia München entwickelt und beinhaltet sowohl Hintergrundinformationen als auch konkrete Praxisprojekte und Arbeitsblätter für Lehr- und Fachkräfte. Das Unterrichtsmaterial ist aufgeteilt in die inhaltlichen Bausteine „Leben in der Pubertät“, „Schönheitsideale unserer Gesellschaft“, „Pornografie im Netz“ und „Sexualisierte Gewalt und digitale Grenzverletzungen“. Das Handbuch ist zum Bestellen und zum Download bei uns erhältlich.

Alle Materialien und Informationen zum Safer Internet Day 2024 finden Sie auf unserer SID-Website.