Hate Speech

Hetze, Hass und Diskriminierung in Sozialen Netzwerken, Online-Foren und Kommentarspalten sind zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem geworden. Sie bedrohen die Meinungsvielfalt und die Demokratie. Die von der Landesanstalt für Medien NRW in Auftrag gegebenen forsa-Befragungen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der befragten Internetnutzenden Hasskommentare im Internet wahrnehmen. In einer bundesweiten, repräsentativen Studie im Auftrag von Campact e.V gaben fast ¾ der Befragten an: sie seien besorgt, dass durch verbale Gewalt im Internet die Gewalt im Alltag zunimmt.

Hate Speech ist kein reines Netzphänomen, sondern basiert auf analogen Macht- und Diskriminierungsstrukturen. Zusätzlich lässt sich im Internet eine Art Enthemmungseffekt beobachten. Meinungen, die im realen Leben oft nur von einer Minderheit offen vertreten werden, sind mit wenigen Klicks veröffentlicht und finden im Internet eine große Bühne. Dahinter stehen nicht selten rechtsextreme Gruppen und Personen, die die Möglichkeiten des Internets für ihre Propaganda nutzen. Das fehlende direkte Gegenüber, die Möglichkeit, anonym zu bleiben, und das Wissen, kaum zur Rechenschaft gezogen zu werden, tragen weiter zur Enthemmung bei. Dabei wird nicht nur anonym gehetzt, sondern häufig auch ganz offen mit Klarnamen.

Hate Speech trifft nicht alle gleich. Während etwa von Cybermobbing, sogenannten Shitstorms oder einer verrohten Kommunikationskultur im Netz im Prinzip alle in gleichem Maße betroffen sein können, richtet sich Hate Speech vorwiegend gegen Personen, weil sie einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden. Sie erfahren eine Abwertung aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer (vermeintlichen) Herkunft, ihrer Religion, ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Körpers. Hate Speech ist insofern eng verknüpft mit dem Begriff gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Sie kann aber auch jene treffen, die zwar selbst nicht einer der genannten Gruppen zugeordnet werden, aber online und offline für deren Rechte und gegen Menschenfeindlichkeit eintreten.

Formen von Hate Speech

Hate Speech kann sich sehr direkt äußern, z. B. in eindeutig rassistischen oder sexistischen Beleidigungen und durch die Anstiftung zur Gewalt. Manchmal sind Äußerungen aber auch schwieriger einzuschätzen. Wie kann man Hassrede auch in ihren subtileren Spielarten erkennen? Anhand verschiedener Formen von Hate Speech stellen wir exemplarisch zentrale sprachliche und inhaltliche Muster vor.

Im Kontext der weltweiten Flüchtlingskrise und der damit verbundenen Debatte über Zu- und Einwanderung nach Deutschland haben rassistische Hassreden im Netz massiv an Intensität gewonnen. Das Internet wirkt hier wie ein Megafon: Die reale Anzahl der Hater*innen mag relativ gering sein, ihre permanente Sichtbarkeit erweckt aber den Anschein einer breiteren Bewegung. Dies kann wiederum rassistischen Taten und rechtsextremen Gruppierungen im analogen Leben Auftrieb geben.

Das ist auch indirekt möglich – beispielsweise durch die Verbreitung uninformierter oder falscher Aussagen, die rassistische Stereotype bedienen, wie die vom „Sozialschmarotzertum“. Rassistische Aussagen tarnen sich dabei nicht selten als Humor oder Ironie.

Zu den wiederkehrenden Motiven rassistischer Hate Speech gehört auch, Debatten über sexualisierte Gewalt gegen Frauen zu instrumentalisieren. In der Forderung „unsere Frauen“ vor „denen“ zu schützen, zeigt sich exemplarisch die für Hate Speech typische Wir/Die-Rhetorik. Lückenhafte Informationen, Desinformation oder Gerüchte über Straftaten und eine einseitig rezipierte bzw. subjektiv gefilterte Berichterstattung in der eigenen Filterblase verdichten sich hier zu einem verschwörungstheoretischen Weltbild. Abweichend und differenziert berichtende Medien werden zur „Lügenpresse“ degradiert.

Neben diesen eher indirekten Formen äußert sich Hate Speech in direkter Form im Aufruf zu konkreten Gewalttaten gegen Flüchtlinge oder Menschen mit Migrationsgeschichte. In beiden Formen – der direkten wie auch der indirekten – tragen Hassreden zu einem gesellschaftlichen Klima bei, das rassistischen und rechtsextremen Personen und Gruppierungen das Gefühl gibt, im Sinne und als Sprachrohr einer schweigenden Mehrheit zu handeln. Ein Gradmesser dieser Stimmung sind die aktuellen Zahlen des Bundeskriminalamtes, welche eine Zunahme politisch motivierter Gewalttaten mit rechtsradikalem Hintergrund zählen.

Eng verbunden mit Rassismus im Allgemeinen sind Hassreden, die Menschen aufgrund ihrer Religion angreifen und abwerten. Besonders auffällig sind hier antisemitische und antimuslimische Stimmen. Die Phänomene unterscheiden sich in Geschichte und Inhalt voneinander und sollen hier nicht gleichgesetzt werden. Gemein ist ihnen aber, dass sie Religion oder Kultur als Vorwand nutzen, um Menschen – unabhängig von tatsächlicher Religiosität und religiöser Praxis – abzuwerten. Die Grenzen legitimer Religionskritik sind in beiden Fällen weit überschritten.

Antisemitismus ist in der deutschen Gesellschaft nach wie vor weit verbreitet. Stark zugenommen haben in den letzten Jahren antimuslimische Einstellungen – und das nachweislich nicht nur am rechten Rand oder in rechtsextremen Szenen, sondern in allen gesellschaftlichen Schichten. Im Netz wird diese Stimmung aufgegriffen und verstärkt. Ganze Themenblogs widmen sich der Hetze gegen Menschen muslimischen Glaubens oder diffamieren Verbände und Moscheegemeinden ebenso wie nicht in religiöser Funktion auftretende Politiker*innen wie etwa Cem Özdemir oder Aydan Özoguz.

Die Sozialen Netzwerke und Kommentarspalten von Online-Medien sind voll mit jahrhundertealten Stereotypen einer drohenden Islamisierung. Sie greifen dabei stark auf eine besonders plakative Bildsprache zurück – ebenfalls typisch für das Phänomen Hate Speech. Auch Jugendliche können direkt von dieser Art der Hassrede betroffen sein. Bleibt sie unwidersprochen, erzeugt sie bei Jugendlichen oft das Gefühl, aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder familiären Herkunft ausgrenzt, abgelehnt und nicht respektiert zu werden.

Sexismus bezeichnet die Diskriminierung und Abwertung von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Frauen in Deutschland erleben dies in Form von sexueller Belästigung in der Öffentlichkeit, in Job und Schule oder im sozialen Nahraum – viele bereits ab dem Jugendalter.

Das Internet bildet hier keine Ausnahme. Gerade junge Nutzerinnen erleben dort häufig sexistische Angriffe. Dazu gehören degradierende Sprüche und sexuell explizite Beleidigungen, die Androhung oder Befürwortung sexualisierter Gewalt bis hin zur Veröffentlichung von echten oder auch digital manipulierten Nacktaufnahmen. Häufig treten die Drohungen in solch konzentrierter Form auf, dass von einer Verabredung der Täter zu einer Art „Hass-Gruppe“ auszugehen ist. Oft sind Frauen betroffen, die sich als Politikerin, Bloggerin, Aktivistin oder Journalistin politisch äußern. Sie erleben eine andere Art der Kritik als ihre männlichen Kollegen, werden häufiger anhand ihres Aussehens bewertet oder in ihrer sexuellen Integrität angegriffen. Aber auch Mädchen und junge Frauen, die das Netz ganz alltäglich nutzen und zu Recht auch als ihren digitalen Lebensraum verstehen, können zur Zielscheibe sexistischer Hate Speech werden, sobald sie sich dort öffentlich äußern.

Diskriminierung aufgrund der geschlechtlichen Identität oder sexuellen Orientierung trifft ebenso transsexuelle, intersexuelle und homosexuelle Personen oder Transgender. Hier sind Jugendliche in der Phase der Identitätsfindung besonders gefährdet, Opfer von Anfeindungen, Abwertung und kollektiver Gewalt zu werden. Die Übergänge zu Cyber-Mobbing sind fließend (siehe „Hate Speech und Cyber-Mobbing“).

Genauso verunsichert Jugendliche eine indirekte, allgemein gegen diese Gruppen gerichtete Hetze. Sie kann ihnen das Selbstwertgefühl nehmen, das sie gerade in dieser Phase für einen selbstbestimmten Umgang mit ihrem Körper und ihrer Sexualität brauchen. Zentrale Elemente homophober Hate Speech sind etwa Verschwörungstheorien einer staatlich forcierten Umerziehung, einer organisierten „Werbung“ für Homosexualität und einer mächtigen „Homo-Lobby“. Auch die Gleichsetzung des nicht Gleichsetzbaren – Homosexualität wird mit pädosexueller Kriminalität, Inzest oder Sodomie in Verbindung gebracht – ist ein zentrales Motiv von homophober Hate Speech.

Die geschilderten Muster der Hassrede können auch jene treffen, die zwar selbst nicht einer der genannten Gruppen zugeordnet werden, aber online und offline gegen Menschenfeindlichkeit eintreten oder sich zivilgesellschaftlich engagieren: Flüchtlingshelfer*innen, feministische und rassismuskritische Aktivist*innen oder Politiker*innen. Sie werden nicht selten selbst zum Ziel hasserfüllter Kommentare, Beleidigungen und Drohungen. Aber auch Jugendliche, die sich mit klarer Haltung in Debatten einmischen, können Anfeindungen ausgesetzt sein.

Die Inhalte im Themenbereich "Hate Speech" basieren auf der Broschüre „Hate Speech – Hass im Netz – Informationen für Fachkräfte und Eltern“ der Landesanstalt für Medien NRW und der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz NRW (AJS) in Kooperation mit klicksafe.