Zum Weltmädchentag 2023Her Body, Her Choice – Sexuelle Selbstbestimmung von Mädchen im Web
Sexismus in Sozialen Medien
Für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung brauchen Kinder und Jugendliche Räume, um sich auszuprobieren. Wer bin ich? Was mag ich? Und wie komme ich bei anderen an? Soziale Medien bieten die Chance, all dies zu erkunden. Sie eröffnen den Zugang zu anderen Lebenswelten, Verbundenheit und Gemeinschaft. Beziehungen können aufgebaut und gepflegt werden.
Allerdings werden Mädchen in Sozialen Medien mit einem (Alltags-)Sexismus konfrontiert, der die freie Entfaltung ihrer gesamten Persönlichkeit behindern kann. Sie werden auf ihr Aussehen reduziert und abgewertet, wenn sie konservativen Rollenklischees nicht entsprechen. Ihr Körper wird ungefragt beurteilt. In Kommentarspalten können Mädchen beobachten, wie Frauen herablassend belehrt und beleidigt werden. Und sie sehen, welch blanker Hass queeren Menschen häufig entgegenschlägt.
So werden auch im Netz geschlechterbasierte Machtverhältnisse aufrechterhalten und starre Geschlechterstereotype festgeschrieben. Mädchen lernen, dass Sexismus gesellschaftlich akzeptiert wird und übernehmen möglicherweise die Ungleichbehandlung in ihr eigenes Rollen- und Werteverständnis.
Weitere Informationen finden Sie im Themenbereich Geschlechterrollen.
Digitale sexuelle Gewalt
Auch für gezielte sexuelle Belästigungen und Gewalt werden Soziale Medien genutzt. Hier werden Minderjährige in Kommentarspalten unerwartet mit sexuellen Anspielungen und Erwartungen konfrontiert. Sie werden in Livestreams unter Druck gesetzt, indem ihnen Geschenke und Likes in Aussicht gestellt werden, sofern sie sexuellen Anweisungen folgen. Und wenn es die Möglichkeit gibt, Direktnachrichten zu verschicken, wird diese Funktion dazu missbraucht, Mädchen ungefragt Nacktfotos zu schicken.
Beim Cybergrooming spielen Direktnachrichten ebenfalls eine entscheidende Rolle. Ist die Öffentlichkeit erst einmal ausgeschlossen, werden Mädchen dazu aufgefordert, intimes Bild- oder Videomaterial von sich zu senden. Oder sie sollen sexuelle Handlungen vor laufender Kamera an sich vornehmen. Dabei kann es zu Erpressungen kommen, die darauf abzielen, weitere Aufnahmen zu erhalten. Oder es soll gar ein persönliches Treffen vereinbart werden, um den Missbrauch außerhalb des Internets fortzusetzen.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für das Jahr 2022 48.821 ausermittelte Fälle von Herstellung, Besitz oder Verbreitung von kinder- und jugendpornografischem Material (+10 % im Vergleich zum Vorjahr). Und auch internationale Zahlen sind alarmierend: laut Jahresbericht 2022 der Internet Watch Foundation (IWF) sind die meisten der abgebildeten Kinder zwischen 11 und 13 Jahre alt. Doch der Zuwachs in der Altersgruppe der sieben- bis 10-Jährigen beträgt +13 % im Vergleich zum Vorjahr. Das Alter sinkt, während der Schweregrad des Missbrauchs steigt. Eines zeigt die IWF-Statistik im Vergleich der letzten drei Jahre gleichbleibend: Die Abbildungen von Mädchen machen den absoluten Großteil der Missbrauchsdarstellungen im Internet aus (2022: 96%).
Bei einer im Jahr 2021 durchgeführten schwedischen Studie mit mehr als 13.000 Teilnehmenden im Alter von 10 bis 17 Jahren wurden ebenfalls deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern festgestellt. So geben 88 % der befragten Mädchen an, ungefragt Nacktfotos zugeschickt bekommen zu haben (bei den Jungen sind es 53 %). 57 % der befragten Mädchen wurde für Nacktbilder schon Geld angeboten.
Sexuelle Gewalt ist ein massiver Eingriff in die persönliche Integrität eines Menschen. Angst, Hilflosigkeit, Ohnmachtsgefühle, Selbstzweifel und soziale Isolation können die Folge sein. Je nach Schweregrad, Häufigkeit und der Beziehung zwischen Opfer und Täter*in leiden Kinder und Jugendliche teilweise unter schweren psychischen oder körperlichen Erkrankungen. Bei der digitalen sexuellen Gewalt werden die Folgen zusätzlich verstärkt, da sich Betroffene nicht sicher sein können, wo die Missbrauchsdarstellungen veröffentlicht wurden und wer darauf Zugriff hat. Selbst wenn belastendes Material erfolgreich aus dem Netz entfernt werden konnte, sind Betroffene nicht vor einer erneuten Weiterverbreitung geschützt (Reviktimisierung).
Was können wir präventiv tun?
Wir als Eltern, Pädagog*innen oder auch Freund*innen müssen Mädchen dabei unterstützen, wirksame Schutzmechanismen zu erlernen. Verbote helfen dabei wenig: sollten die Mädchen schlechte Erfahrungen machen, verhindern Angst und Scham das offene Gespräch und letztlich den Zugang zu Hilfe. Wir können Mädchen stärken und fördern, indem wir …
- ihnen positive Angebote im Netz zeigen, die Ihnen die Möglichkeit geben, einen gesunden Bezug zu ihrem Körper und zu ihrer Sexualität zu entwickeln.
- ihnen vermitteln, dass sexuelle Gewalt im Internet strafbar ist und wie man Anzeichen für Cybergrooming erkennen kann.
- mit ihnen feste Regeln für den Kontakt mit Fremden vereinbaren.
- sie darüber aufklären, welche Risiken mit Sexting verbunden sind.
- sie dazu befähigen, Melde-, Blockier- und Hilfesysteme von Social Media-Diensten zu nutzen.
- mit ihnen darüber sprechen, welche Gefahren mit verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten von Social-Media-Diensten verbunden sind.
- mit gutem Beispiel vorangehen und uns gegen sexistische Verhaltensweisen im Netz wehren.
Weitere hilfreiche Tipps und Materialien finden Sie im Themenbereich Cybergrooming.