Problematische Inhalte bei Influencer*innen

In der kritischen Auseinandersetzung mit Influencer*innen liegt das Augenmerk meist auf der Werbung, die in Posts und Videos enthalten sein kann. Darüber hinaus gibt es allerdings noch weitere problematische Inhalte und Tendenzen, für die Kinder und Jugendliche sensibilisiert werden sollten. So können sie ihre Idole im Netz kompetent und informiert einordnen.

Politischer Extremismus

Das meistgeklickte Video des Jahres 2019 in Deutschland war „Die Zerstörung der CDU“ des YouTubers Rezo. Wo üblicherweise Rap- und Comedy-Videos dominieren, hatte es auf YouTube erstmalig ein Video mit politischem Inhalt an die Spitze geschafft. Bisher ist das Video von Rezo eher die Ausnahme geblieben und reichweitenstarke Influencer*innen wenden sich selten politischen Themen zu. Dabei gaben rund die Hälfte der Jugendlichen in einer nicht-repräsentativen Umfrage von klicksafe an, dass sie sich durchaus politische Inhalte von Influencer*innen wünschen.

In den letzten Jahren war allerdings zu beobachten, dass Influencer*innen aus dem identitären, völkischen und rassistischen Spektrum soziale Medien geschickt nutzen, um ihre Reichweite zu vergrößern. Im Rahmen einer Recherche zu "Antisemitismus online 2.0" von jugendschutz.net wurden knapp 5.000 Profile, Beiträge und Videos sowie ca. 100.000 Kommentare ausgewertet. Eine zentrale Erkenntnis: Antisemitismus ist kein Randphänomen, sondern nahezu allgegenwärtig. Verschwörungstheorien werden ebenso reproduziert wie antisemitische Stereotype.

Das Internetportal CORRECTIV beschreibt in einem Artikel anschaulich, wie zwei junge Aktivist*innen aus der Neuen Rechten von bekannten Szenegrößen gezielt als Identifikationsfiguren protegiert wurden. Ein immer wiederkehrendes Thema dieser Influencer*innen ist die Behauptung, in Deutschland herrsche eine Meinungsdiktatur. Diese verbiete es vom Mainstream abweichende Ansichten zu äußern. Sich selbst inszenieren diese Influencer*innen als letzte Bastion der Wahrheit, die sie über ihre Social-Media-Kanäle verbreiten. Dies geht einher mit Verschwörungstheorien wie dem „großen Austausch“ oder der Vorstellung, eine „Flutwelle“ von Migrant*innen „überschwemme“ Deutschland.

Für Kinder und Jugendliche ist es unter Umständen schwer zu unterscheiden, bei welchen Nachrichten es sich um gesicherte Fakten handelt und bei welchen lediglich um Behauptungen und Lügen. Im Umgang mit sozialen Medien benötigen sie Unterstützung, um die Quellen kritisch hinterfragen und richtig einordnen zu können. Dabei hilft zum Beispiel unsere Infobroschüre für Familien „Vertraust du noch oder checkst du schon?“.

Problematische Rollenbilder

Nach wie vor zeigen viele erfolgreiche Influencer*innen ein eher antiquiertes Rollenbild. Influencerinnen sind vor allem festgelegt auf als typisch weiblich wahrgenommene Themenbereiche wie Food, Fashion und Beauty. Influencer dominieren hingegen in mit Männlichkeit assoziierten Bereichen wie Fitness und Gaming oder als Experten für Wissens- und Politikfragen. Plan International hat in einer Umfrage herausgefunden, dass sich zwei Drittel der User*innen auch nicht an dieser Darstellung von traditionellen Rollenmustern stören.

Der Grund für dieses Festhalten an etablierten Rollenbildern ist in den Wirkmechanismen von Social-Media-Portalen zu suchen. Der „Wert“ von Influencer*innen bemisst sich nach Clicks, Likes und Views. Wer rollenkonforme Inhalte online stellt, generiert mehr Likes und steigert so seinen virtuellen Wert. In der Studie „Weibliche Selbstinszenierung in den Neuen Medien“ der MaLisa Stiftung sagt eine anonyme Youtuberin dazu: „Je plakativer das Klischee, umso besser wird es geklickt. Je mehr du einem gewissen Schönheitsideal entsprichst oder einer gewissen Erwartung, verdienst du natürlich besseres Geld“.

Problematisch ist dabei, dass sich etablierte Rollenmuster nur ändern können, wenn Kinder und Jugendliche in ihrer Umgebung Vorbilder finden, die ihnen Alternativen aufzeigen. Um nicht in Klischees von Mädchen, die sich schminken und Jungs, die Videospiele spielen stecken zu bleiben, kann es sinnvoll sein, Kindern und Jugendlichen mit anderen Inhalten vertraut zu machen, die nicht die immer gleichen Rollenmuster reproduzieren.

Einseitige Körperbilder

Die unterschiedlichen Rollenbilder, die für Männer und Frauen vorgesehen sind, prägen auch die Körperbilder, die Influencer*innen propagieren. Besonders im Bereich Fitness zeigt sich eine starke Fokussierung auf einen normierten Körper. Für Männer gilt dabei ein muskulöser Körper mit wenig Körperfett als erstrebenswert, bei Frauen ein überaus schlanker Körperbau. Beiden Körperbildern ist gemeinsam, dass sie in der Regel nur durch langwieriges Training und eine stark reglementierte Form von Ernährung erreich werden können. Eine Studie der Universität Witten / Herdecke kommt zu dem Schluss, dass von Influencer*innen regelmäßig impliziert wird, die gewünschten Körperformen ließen sich mithilfe der beworbenen Nahrungsergänzungsmittel oder spezieller Sportkleidung schneller erreichen.

Darüber hinaus wird suggeriert, ein normierter und durch Kontrolle und Willenskraft geformter Körper sei erstrebenswert und schön. Dieses Ideal zu erreichen, sei die Grundlage für ein glückliches und gesundes Leben und ein positives Selbstbild. Gerade bei Mädchen, an die das Ideal eines schlanken Körpers herangetragen wird, besteht die Gefahr, eine Essstörung zu entwickeln. Auch die Forscher*innen der Universität Witten / Herdecke warnen vor den etwaigen negativen gesundheitlichen Folgen: „Durch den intensiven täglichen Konsum von Social Media Inhalten werden Jugendliche maßgeblich in Haltung und Meinung zu gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen geprägt. Da Influencer nicht auf Gesundheitsförderung, sondern auf Einnahmengenerierung fokussiert sind, besteht ein Bedarf, Jugendliche in ihrer psychischen und physischen Entwicklung zu schützen und zu begleiten“.

Kindern und Jugendlichen sollte vermittelt werden, dass ein gutes und erfolgreiches Leben nicht von einem bestimmten Aussehen abhängt. Hierzu benötigen sie das Wissen darum, welcher Aufwand hinter dem Formen eines solchen Körpers steht, mit welchen Hilfsmitteln der Bildbearbeitung bei Posingbildern nachgeholfen wird und auch welche gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen Unterernährung oder die Einnahme von Nahrungsergänzungspräparaten haben können.