jugendschutz.net-Jahresbericht 2022Demokratiefeindlichkeit, Hassbeiträge, sexuelle Belästigung: Kinder im Netz zahlreichen Gefahren ausgesetzt
Extremistische Hetze gegen Minderheiten
Extremist*innen hetzen im Netz gegen Demokratie und Menschen mit anderer Weltanschauung. Dabei nutzen sie oft beliebte Formate und jugendaffines Auftreten, um eine junge Zielgruppe zu erreichen. Oft verbreiten diese Influencer*innen auch harmlose Inhalte, wie zum Beispiel Fitness- oder Lifestyle-Tipps. So bauen sie eine Beziehung zu ihren Follower*innen auf und lassen erst später demokratiefeindliche Inhalte in ihre Beiträge einfließen.
Der Jahresbericht von jugendschutz.net zeigt, dass immer häufiger Menschen aus der LGBTIQ*-Community von Hass im Netz betroffen sind. Hass und abwertende Äußerungen gegenüber LGBTIQ*-Personen können Kinder und Jugendliche stark verunsichern. Wird dies als gerechtfertigt und normal wahrgenommen, können solche Äußerungen dazu beitragen, dass sich queerfeindliche Einstellungen herausbilden. Auch hemmt dies die selbstbestimmte Entwicklung der eigenen sexuellen und geschlechtlichen Identität. Denn wer sich selbst offen queer zeigt, muss Angst haben, angefeindet und bedroht zu werden.
Kinder und Jugendliche als Sexualobjekte
Sexualisierte Gewalt ist im Netz weiterhin ein großes Problem. jugendschutz.net stellt dabei nicht nur die anhaltende massenhafte Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen fest. Auch die Belästigung von Kindern in Livechats, Tanzvideos oder Karaoke-Clips auf beliebten Plattformen wie TikTok und Instagram ist ein erschreckender Befund des Jahresberichts 2022.
Im Jahr 2022 bearbeitete jugendschutz.net 4.822 Fälle im Bereich Abbildungen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen oder Abbildungen von Kindern und Jugendlichen in sexualisierten Posen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um rund 1.000 Fälle (2021: 3.834).
Bei TikTok beobachtete jugendschutz.net sexuell belästigende Kommunikation vor allem in Livestreams Minderjähriger. Bei Instagram waren kinder- und jugendaffine Creator*innen besonders betroffen. Aufdringlich-übertriebene Komplimente auf sogenannten Kindermodell-Accounts oder auf denen von minderjährigen Amateursportler*innen wirkten übergriffig. Da sexuelle Belästigung auch über private Kommunikation stattfindet, ist ein entsprechendes Dunkelfeld anzunehmen.
Auch Vorsorgemaßnahmen von Plattformen im Fokus
jugendschutz.net überprüfte auch in diesem Jahr wieder Vorsorgemaßnahmen von Diensten, die Kinder und Jugendliche regelmäßig nutzen. 2022 waren dies YouTube, Instagram, Facebook, TikTok, Snapchat, WhatsApp und Twitter. Zwar waren Verbesserungen festzustellen, zum Beispiel bei technischen Schutzlösungen, Voreinstellungen und Richtlinien. Die Betreiber sorgen aber weiterhin nicht ausreichend für den Schutz von Kindern und Jugendlichen.
Bilanz für das Jahr 2022
2022 bearbeitete jugendschutz.net 7.363 Verstoßfälle. 66 % der Verstöße waren thematisch sexualisierter Gewalt zuzuordnen. Politischer Extremismus folgte mit 13 %, Pornografie mit 8 %. Auf Selbstgefährdung entfielen 7 %, auf Gewalt 5 % und auf Cybermobbing 1 %.
79 Verstoßfälle übermittelte jugendschutz.net an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zur Einleitung eines Aufsichtsverfahrens. Außerdem gab jugendschutz.net 104 Fälle an die KJM zur Indizierung durch die Prüfstelle bei der Bundeszentrale für Kinder und Jugendmedienschutz (BzKJ) ab. 2.219 Fälle sendete jugendschutz.net an das Bundeskriminalamt (BKA), da kinder- und jugendpornografische Inhalte verbreitet wurden oder Gefahr für Leib und Leben bestand (z. B. durch Gewaltandrohungen, Suizidankündigungen). Am Jahresende waren in 6.654 Fällen (90 %) die Verstöße beseitigt.
Über jugendschutz.net
jugendschutz.net fungiert als das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. Die Stelle recherchiert Gefahren und Risiken in jugendaffinen Diensten. Sie wirkt darauf hin, dass Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen beseitigt und Angebote so gestaltet werden, dass Kinder und Jugendliche sie unbeschwert nutzen können.
Die Jugendministerien der Länder haben jugendschutz.net 1997 gegründet. Die Aufgaben wurden 2003 im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) festgelegt. Die Stelle ist seither an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebunden. 2021 hat der Bund jugendschutz.net als gemeinsamem Kompetenzzentrum im Jugendschutzgesetz (JuSchG) ebenfalls eine gesetzliche Aufgabe zugewiesen.
jugendschutz.net wird finanziert von den Obersten Landesjugendbehörden, den Landesmedienanstalten und gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.